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Sei einfach du selbst ! Gar nicht so einfach…

Über den Konflikt zwischen Bindung & Authentizität

Sei einfach du selbst – kein anderer Satz ist für mich gleichzeitig so richtig und so falsch. Lass uns den Widerspruch darin erforschen. Wir werden rausfinden, was die Umsetzung so schwierig macht und wie der Weg dahin aussehen kann, du selbst zu sein.

quote

Finde heraus, wer du bist
und  tue es mit Absicht.

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Dolly Parton

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Neuanfang
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Sei einfach du selbst ! Gar nicht so einfach...
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Sei einfach du selbst – richtig oder falsch?

Wie gesagt, kein anderer Satz ist für mich gleichzeitig so richtig und so falsch.

Was für mich an dem Satz richtig ist:
Du selbst zu sein, ist in meinen Augen die Antwort auf ganz viele Fragen und Herausforderungen des Menschseins und für mich der einzige Weg in echte Freiheit. Denn wenn du dich selbst kennenlernst und so immer mehr spürst, wer du bist, kannst du ein erfülltes Leben gestalten und in tiefe Verbindung mit anderen Menschen gehen. Und nur, wenn du dich ausleben, ausdrücken und zeigen kannst, wie du dich selbst in deinem Inneren empfindest, hast du die Freiheit ein Leben zu leben, das dir selbst wirklich entspricht. Löst du dadurch den Konflikt zwischen deinem Innen und Außen, schaffst du außerdem die Basis für Frieden in dir selbst und deinem Umfeld.

Was für mich an dem Satz falsch ist:
Einfach ist daran gar nichts – zumindest für sehr viele Menschen. Das fängt bei Faktoren an, die jenseits des direkten persönlichen Einflussbereiches liegen. Wer z.B. für Aussehen, sexuelle Identität oder Glauben verurteilt, verfolgt oder angegriffen wird, kann nicht einfach das eigene Selbst sein. Doch auch wenn diese Umstände nicht gegeben sind, fällt es den meisten Menschen nicht leicht, sie selbst zu sein. Es braucht nur kleine, vermeintlich unwichtige Ereignisse, damit wir (meist als Kinder) schlussfolgern, dass es nicht ok und vor allem nicht sicher ist, wir selbst zu sein.

Ist das der Fall, dürfen wir uns als Erwachsene die Freiheit zurückerobern, wir selbst zu sein.

Zurück zu uns selbst

Wir dürfen uns daran erinnern, dass wir Potentiale in uns tragen, die entfaltet werden möchten und dürfen – auch wenn andere sie vielleicht nicht sehen oder sie für wenig wertvoll halten.

Wir dürfen lernen und hoffentlich auch erfahren, dass es sicher ist, unsere Stärken, Ideen, Visionen und Meinungen auszudrücken – und für uns selbst da zu sein, wenn das Feedback mal nicht so positiv ausfällt.

Wir dürfen üben, für uns selbst, unsere Bedürfnisse und Grenzen einzustehen – auch wenn immer wieder die Angst hochkommt, andere vor den Kopf zu stoßen und damit die Bindung (vermeintlich) aufs Spiel zu setzen.

Wir dürfen uns trauen, wir selbst zu sein! Wir dürfen wertschätzen, was für ein Privileg es (leider immer noch) ist, wir selbst sein zu können. Und wir dürfen gleichzeitig mitfühlend mit uns sein, wenn es nicht einfach ist, wir selbst zu sein.

Lass uns erforschen, wie es dazu kommen konnte, dass es so schwierig sein kann, wir selbst zu sein und wie der Weg aus diesem Konflikt aussehen kann.

Wie äußert sich der Konflikt im Leben?

Ab hier kannst du entweder einfach mitlesen und lernen oder aktiv mitmachen, indem du bei jeder Frage einen Blick auf dein eigenes Erleben und deine eigene Geschichte wirfst. Doch da ich auf deine persönliche Geschichte keinen Bezug nehmen kann, möchte ich dir für unsere Forschungsreise dir drei fiktive Personen vorstellen, die uns begleiten werden.

Frederike arbeitet in einer Werbeagentur. Seit ein paar Jahren ist sie für ein kleines Team verantwortlich und eigentlich ganz happy mit ihrem Job. Die Teammitglieder mögen sie und schätzen ihre rücksichtsvolle und einfühlsame Art. Ihre Chefin ist ebenfalls sehr zufrieden mit Frederike, die verlässlich und verantwortungsbewusst ihren Job macht.

Vor Kurzem ist intern eine Stelle frei geworden, die Frederike sofort neugierig gemacht und gereizt hat. Sie hat in den letzten Jahren gemerkt, dass die Führung von Mitarbeitenden ihr liegt und Spaß macht. Doch bei dieser neuen Stelle geht es um deutlich mehr Verantwortung und Frederike ist nicht sicher, ob sie das Zeug dazu hat. Außerdem hat sie ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Team. Sich auf die freie Stelle zu bewerben würde sich anfühlen, als würde sie ihr Team hintergehen und ggf. sogar im Stich lassen, falls sie den Job bekäme.

Seit Tagen ringt Frederike mit sich, ob sie sich bewerben soll oder nicht. Beim Gedanke an die neue Herausforderung kribbelt ihr Bauch, doch ist das jetzt Vorfreude oder Angst?

Auch Anton schmiedet Pläne. Doch nicht erst seit ein paar Tagen. Seit Jahren trägt er eine Idee mit sich herum, von der er überzeugt ist, dass sie großes Potential für Erfolg hat. Schon oft hat er neben seinem Job verschiedene Anläufe gemacht, die Idee umzusetzen. Doch sobald die erste Komplikation auftaucht oder er Zweifel von anderen zu hören bekommt, bricht Anton ab. Dabei ist er doch so überzeugt vom Erfolg seiner Idee. Er kann nicht verstehen, warum er nicht bei der Sache bleibt.

Dabei erlebt er etwas ganz ähnliches auch in seinen persönlichen Beziehungen. Wenn Unstimmigkeiten zwischen ihm und seinen Freunden aufkommen, zieht er sich zurück. Er beeilt sich, seine eigene Meinung zurückzunehmen und den anderen zuzustimmen.

Gerne würde Anton mehr an sich selbst glauben können und damit auch den Mut haben, seinen ganz eigenen Weg zu gehen. Doch immer, wenn’s kompliziert wird, scheint eine unsichtbare Macht das Ruder für ihn zu übernehmen. Egal wie sehr er die Veränderung will, es bleibt alles beim Alten.

Für sich selbst einzustehen, ist auch für Clarissa eine große Herausforderung. Sie ist Mama von drei wundervollen Kindern, verheiratet mit ihrem Traummann, mit dem sie alles verwirklicht hat, wovon sie früher geträumt hat – Haus mit Garten, tolle Urlaube und die gemeinsamen Kinder.

Doch je älter die Kinder werden, desto mehr merkt Clarissa, dass sie andere, neue Bedürfnisse hat, für die sie sich Zeit und Raum wünschen würde. Ein paar Mal schon hat sie ihrem Mann die Idee unterbreitet, sie könnten es sich ja leisten, dass er bei der Arbeit kürzer tritt und auch mal die Kinder übernimmt, damit sie was für sich machen kann. Ein Yoga-Retreat z.B., da zieht es sie schon lange hin. Doch jedes Mal, wenn sie das Thema anspricht, hat ihr Mann ganz plötzlich was Wichtiges zu tun und Clarissa sagt sich dann, das Yoga-Retreat läuft ja nicht weg.

Außerdem hat sie gerade neue Aufgaben im Elternbeirat der Schule übernommen, so dass das Yoga-Retreat eh nur mit viel Stress umzusetzen wäre. Richtig Lust hat sie auf die Aufgaben zwar nicht, doch nein zu sagen, fällt ihr schwer. Schließlich ist sie echt gut im Organisieren und warum dann nicht die Fähigkeiten für einen guten Zweck einsetzen.

Was haben Frederike, Anton und Clarissa gemeinsam? Und warum gelingt es ihnen einfach nicht, das umzusetzen, was sie sich wünschen? Was hält sie davon ab?

Erkennst du dich ansatzweise in einer der den Geschichten wieder? Gibt es etwas, das du gerne verwirklichen würdest, doch du kommst aber nicht von der Stelle oder traust es dir nicht zu? Oder hast du Wüsche oder Bedürfnisse, die dir zwar einigermaßen klar sein, die du dich aber nicht traust auszusprechen und durchzusetzen?

Bindung versus Authentizität

Also, was haben Frederike, Anton und Clarissa gemeinsam?

Sie alle haben einen Wunsch und gleichzeitig eine Verhaltensweise, die sie davon abhält, diesen Wunsch umzusetzen. Sie spüren in sich ein Bedürfnis, das sie zwar wahrnehmen und sogar ernst nehmen, doch dem gegenüber steht ein stärkeres Bedürfnis, dass sie davon abhält.

So unterschiedlich Frederike, Anton und Clarissa auch sind – was sie miteinander und mit dir und mir gemeinsam haben, sind gewisse Grundbedürfnisse, von denen zwei ganz besonders wichtig sind. Diese beiden Bedürfnisse bilden den Kern des Konfliktes, der es so schwierig machen kann, „einfach du selbst zu sein“.

Es sind Bindung und Authentizität.

Der Mediziner Gabor Maté erklärt in seinem Buch „Vom Mythos des Normalen“, warum diese beiden Bedürfnisse die wichtigsten der menschlichen Existenz sind und weshalb sie für die allermeisten von uns zu einem Konflikt führen.

Warum Bindung ein überlebenswichtiges Bedürfnis ist, mag noch recht einleuchtend sein. Bei Geburt und lange Zeit danach, gehören wir menschlichen Kinder zu den „unausgereiftesten, abhängigsten und hilflosesten Wesen“ auf dem Planeten. Der fest in unserem Gehirn verankerte Drang nach Bindung soll sicherstellen, dass sich jemand um uns kümmert und damit für unser Überleben sorgt.

Doch warum ist Authentizität eines der zwei überlebenswichtigen Bedürfnisse?!

Ganz unabhängig von einer spirituellen Perspektive erklärt Gabor Maté: „In ihrer konkretesten und pragmatischsten Form bedeutet sie [Authentizität] schlicht und einfach, unser Bauchgefühl zu spüren und es zu respektieren. Stellen Sie sich einen unserer afrikanischen Vorfahren in der Savanne vor: Er spürt die Anwesenheit eines Raubtiers. Wie lange wird er überleben, wenn er sein warnendes Gespür für Gefahr unterdrückt?“ Das heißt, der Kern von Authentizität ist im ersten Schritt, dem zu vertrauen, was du in dir selbst wahrnimmst und fühlst und dir im zweiten Schritt zu erlauben, danach zu handeln.

Diese Entscheidung können wir als Erwachsene – je nachdem, wie stark wir vom Konflikt zwischen Bindung und Authentizität geprägt sind – bewusst treffen. Wir können theoretisch frei entscheiden, dass wir entsprechend dem handeln, was wir wahrhaftig in uns wahrnehmen und damit eventuell auch das Risiko eingehen, gewisse Bindungen zu verlieren. Schließlich können wir grundsätzlich selbst für unser Überleben sorgen und Lebensmittel sogar online bestellen.

Doch als Kinder haben wir diese Wahl nicht.

In der ersten Lebensphase steht unweigerlich die Bindung an erster Stelle. … Wir sichern unser physisches und emotionales Überleben, indem wir aufgeben, wer wir sind und was wir fühlen.Das bedeutet, sobald wir als Kinder erleben, dass unser authentischer Selbstausdruck und unsere Gefühle nicht gesehen und akzeptiert werden, nehmen wir uns lieber zurück, als die Bindung zu gefährden.

Und je früher, eindringlicher und häufiger wir dieses Verhalten nutzen mussten, desto mehr wurde es zu einer automatischen Bewältigungsstrategie, die auch im erwachsenen Alter noch unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmt, obwohl sie uns häufig genau von dem abhält, was wir eigentlich wollen. Oder anders gesagt, je mehr wir „geübt“ haben „ich muss mich verstellen, um geliebt und versorgt zu werden“, desto mehr ist diese Priorität in den neuronalen Netzwerken unseres Hirns eingebrannt. Vielleicht so sehr, dass wir uns gar nicht mehr daran erinnern können, wer wir ohne dieses Verhalten eigentlich waren bzw. sind.

Doch so viel sei schon mal verraten: es ist nie zu spät, das herauszufinden!
Wenn du diesen Konflikt erlebst, wodurch könnte er für dich entstanden sein?

quote

Du selbst zu sein in einer Welt, die ständig versucht, dich zu etwas anderem zu machen, ist die größte Errungenschaft.

quote

Ralph Waldo Emerson

Wodurch kann der Konflikt entstehen?

Die Quelle dieses Konfliktes zu finden, kann echte Detektivarbeit sein, die nicht von heute auf morgen zu Klarheit führt. Es kann auch sein, dass dein System dich genau vor dieser Klarheit „beschützen” möchte. Und wenn du eine Idee bekommst, wann und warum du dich für Bindung über Authentizität entscheiden musstest, kann es sein, dass es ganz schön unangenehm, traurig oder erschütternd ist, das festzustellen. Sei liebevoll mit dir in diesem Prozess!

Lass uns gemeinsam in die Vergangenheit von Frederike, Anton und Clarissa reisen:

Frederike war schon im Kindergarten immer die Anführerin jeder Gruppe. So lange, bis es der Erzieherin negativ aufstieß, dass sie anderen Kindern sagte, was zu tun sei und Frederikes Eltern in den Kindergarten zitiert wurden. Ab sofort wurde sie ständig dazu ermahnt, sich nicht so wichtig zu nehmen, nicht in den Vordergrund zu drängen und weniger bestimmend zu sein. Frederike lernte, damit meine Eltern mich liebhaben und die Erzieherin nie mehr sauer auf mich ist, darf ich nicht die Anführerin sein, muss mich zurücknehmen und muss immer sichergehen, dass für alle ok ist, was ich tue.

Anton war als Kind ein echter Daniel Düsentrieb. Beim Abendessen erzählte er jeden Tag voller Begeisterung, wie er demnächst auf den Mond fliegen würde oder welche seiner Erfindungen die Welt revolutionieren würde. Seine Eltern liebten seine Begeisterung und ermutigten ihn. Doch ihre Ehe begann zu kriseln und immer häufiger waren sie mit sich selbst beschäftigt und stritten. Immer seltener interessierte sich jemand für Antons Erfindungen. Er verstand nicht, warum die Begeisterung seiner Eltern verschwunden war. Wenn er einen Versuch machte, wie früher zu erzählen, bekam er zu hören „jetzt nicht“. Oft machten die Eltern sich anschließend gegenseitig Vorwürfe, zwar hinter verschlossener Türe, doch trotzdem gut hörbar. Anton schlussfolgerte, niemand interessiert sich mehr für meine Ideen und je weniger ich damit für Wirbel sorge, desto eher kann ich Konflikte vermeiden und Streit fühlt sich richtig doof an.

Clarissas Mutter brachte sie zur Welt, als sie selbst noch sehr jung war. Erst mit einigem Abstand bekam Clarissa noch drei jüngere Geschwister. Und auch wenn Clarissa zunächst nicht begeistert war vom Familienzuwachs, fühlte sie sich schon früh für die Kleinen verantwortlich – auch wenn ihre Mutter sie immer wieder dazu ermutigte, auch mal ihr eigenes Ding zu machen. Als Clarissa 14 war, zog ihre kranke Oma mit ein, damit ihre Mutter sich besser um sie kümmern konnte. Da war es für Clarissa selbstverständlich, trotz Schule, viel im Haushalt zu helfen und die kleinen Geschwister zu versorgen. Während alle Gleichaltrigen unbeschwerte Teenagerzeit verlebten, sagte Clarissa sich, das kann ich später nachholen.

Zur Erinnerung, Gabor Maté schreibt:
In der ersten Lebensphase steht unweigerlich die Bindung an erster Stelle. … Wir sichern unser physisches und emotionales Überleben, indem wir aufgeben, wer wir sind und was wir fühlen.

Oft wird davon ausgegangen, dass es offensichtlich traumatische Erlebnisse, wie Suchtkrankheiten der Bezugspersonen, Missbrauch oder Katastrophen braucht, damit wir noch als Erwachsene davon beeinflusst werden. Doch selbst in der schönsten Kindheit gab es für die allermeisten Menschen Erlebnisse, die dazu führten, dass sie glaubten, sich selbst und ihre Gefühle zurücknehmen zu müssen.

Da werden, wie bei Frederike, angeborene Stärken missverstanden und unterdrückt statt konstruktiv gefördert.
Da gehen die Interessen eines Kindes unter, einfach weil die Eltern gerade Probleme haben, die nichts mit dem Kind zu tun haben. (Anton)
Oder da kommt eine Tendenz zu einem gewissen Verhalten gelegen und wird immer weiter gefestigt, bis sie dem Selbstverständnis eines Kindes entspricht. (Clarissa)

Ja, diese Geschichten sind konstruiert. Doch genau solche Geschichten und viele ähnliche höre ich jede Woche im Coaching. Es braucht kein schockierendes Trauma oder Drama, damit wir lernen, dass unsere Bindungen sicherer zu sein scheinen, wenn wir uns selbst und unsere Gefühle zurücknehmen.

Bindung trumpft Authentizität.

Als Erwachsene kommen wir jedoch irgendwann an den Punkt, an dem wir feststellen, dass ein erfülltes Leben und echte, tiefe Beziehungen nur möglich sind, wenn wir authentisch sind. Wenn wir wissen, was richtig und wichtig für uns ist und uns nicht davor scheuen, das auszuleben. Wenn wir erfahren, dass die wahrhaftige, vertrauensvolle Verbindung mit einer anderen Person dann entsteht, wenn wir bereit sind, uns verletzlich zu zeigen und einander aus herzzentrierter Ehrlichkeit begegnen. Wenn wir bereit sind, uns der Angst zu stellen, die Bindung vielleicht aufs Spiel zu setzen, um unserer Authentizität Raum zu geben.

Wir dürfen lernen, dass es nicht um Bindung WICHTIGER ALS Authentizität geht, sondern Bindung DURCH Authentizität.

Warum es scheinbar Sinn macht, nicht du selbst zu sein

Hast du dich in den Geschichten von Frederike, Anton oder Clarissa ansatzweise wiedergefunden? Dann hast du vermutlich, wie die drei fiktiven Personen, (als Kind) die Erfahrung gemacht, dass die wichtigen Menschen in deinem Leben dich selbst, deine Gefühle und Bedürfnisse nicht so gesehen und angenommen haben, wie sie waren bzw. du bist. Daraus hast du Schlussfolgerungen gezogen und Verhaltensweisen entwickelt, die dich selbst und die Bindung zu diesen Menschen geschützt haben.

Du hast die Erfahrung gemacht, Bindung IST WICHTIGER ALS Authentizität.

Was dich früher beschützt hat, steht dir heute vermutlich im Weg – sonst hättest du den Text wahrscheinlich nicht bis hierher gelesen. Als Kind hattest du keine andere Wahl, als dich anzupassen, um sicher zu sein. Deshalb entscheidet dein System heute noch auf Basis dieser Schlussfolgerung.

Frederikes Verhalten „beschützt“ sie davor, noch einmal dafür beurteilt und gerügt zu werden, dass sie in der neuen Position anderen Anweisungen geben muss – so wie sie es mit ihren Eltern und der Erzieherin erlebt hat. Es „beschützt“ sie außerdem vor dem unangenehmen Gefühl, etwas zu tun, mit dem vielleicht nicht alle einverstanden sind. Ihre jetzigen Teammitglieder könnten ja das Gefühl haben, dass Frederike sie im Stich lässt.

Antons Verhalten in seinen Beziehungen „beschützt“ ihn vor den unangenehmen Gefühlen, die er aufgrund seiner Erfahrung mit Konflikten verbindet und der Angst, seine Freunde zu verlieren, so wie er durch die letztendliche Trennung seiner Eltern den Vater „verloren“ hat. Seine grandiose Idee nicht umzusetzen, „beschützt“ ihn vor dem Risiko, sich mit seinem Erfindergeist nicht gesehen zu fühlen, so wie während der Trennung der Eltern.

Clarissas Gewohnheit, die Bedürfnisse aller anderen über ihre eigenen zu stellen, „beschützt“ sie davor, zu erkennen, dass sie gar nicht mehr weiß, wer sie eigentlich ohne diese Verhaltensweise ist. Würde sie für ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse einstehen, fühlte es sich vermutlich an, als würde entgegen ihrer Natur handeln, weil sie sich selbst zurücknimmt, seit sie denken kann.

Die drei dürfen eine neue Erfahrung machen. Und du vermutlich auch.
Bindung ENTSTEHT DURCH Authentizität.

Anders gesagt, je authentischer du lebst, desto wahrhaftiger und stärker wird die Bindung mit den für dich passenden Menschen.

quote

 Schönheit beginnt in dem Moment, in dem du dich entscheidest, du selbst zu sein.

quote

Coco Chanel

Wie du lernst, dass Authentizität sicher sein kann

Lass uns den Satz mal auseinandernehmen:

Je authentischer du lebst…
Das Ding mit der Authentizität ist, dass du sie nur erfahren kannst, wenn du sie lebst. Du kannst nicht theoretisch authentisch sein. Gabor Maté schreibt, „Authentizität kann nicht angestrebt, nur verkörpert werden”. Das bedeutet, du darfst in dir den Mut finden, in ersten, kleinen Situationen das ausdrücken, was du wirklich denkst, fühlst oder brauchst.

…desto wahrhaftiger und stärker wird die Bindung…
Wenn deine bisherige Erfahrung von Bindung bedeutet, dazuzugehören indem du dich anpasst oder verstellst, wird wahrhaftige Bindung sich vielleicht ungewohnt anfühlen – auch wenn es das ist, wonach wir alle uns wirklich sehnen. Eine wahrhaftige, starke Bindung bedeutet NICHT, dass immer alles reibungslos, friedlich und easypeasy ist. Eine wahrhaftige, starke Bindung kann aushalten, dass es Differenzen gibt, denn die sind unvermeidbar, wenn zwei oder mehr Menschen aufeinandertreffen, die ihr authentisches Selbst leben – eben weil wir nicht alle gleich denken, fühlen und handeln. Eine wahrhaftige, starke Bindung basiert auf gegenseitiger, möglichst wertfreier und liebevoller Annahme von genau diesen Unterschieden. Und wenn du die Erfahrung bisher noch nicht gemacht hast, dass jemand dich einfach so annimmt, wie du bist, kann sich auch das erst mal ungewohnt anfühlen.

…mit den für dich passenden Menschen.
Ich kann dir nicht versprechen, dass die Menschen, die du gerade in deinem Leben hast, die Menschen sind, mit denen die oben beschriebene Form der Bindung möglich ist. Wenn diese Menschen eine Version von dir kennen, die nicht deinem wahren, authentischen Selbst entspricht, dann kann es sein, dass es knirscht, wenn du beginnst, das auszudrücken, was du wirklich denkst, fühlst oder brauchst. Manche Menschen gehen diesen Weg vielleicht mit dir, andere nicht. Doch die machen Platz in deinem Leben für die Menschen, die zu deinem wahren Selbst passen.

Wenn dich jetzt das Gefühl beschleicht, dass es nicht einfach ist, diesen Weg zu gehen, kann ich dir zustimmen. Doch ich möchte dir einige konkrete Schritte mitgeben, die dich einem authentischeren Leben näher bringen.

Konkrete Schritte in die Authentizität

Die Schritte, zu denen ich dich jetzt einlade, sind keine Checkliste, die du mit einmaligem Umsetzen für immer abhakst. Vielmehr sind es Schritte, die wiederum aus vielen wiederholten Schritten bestehen – jeder dieser Schritte ist ein Prozess. Schon mit den ersten Teilschritten des Prozesses kann sich etwas für dich verändern und gleichzeitig wirst du merken, dass du sie immer wieder und weiter gehen darfst.

Nicht-Authentizität bemerken
Authentizität zu beschreiben und begreifen, ist ähnlich herausfordernd, wie sie zu leben. Am deutlichsten wird es, wenn sie NICHT gelebt wird. Ich bin mir sicher, du kennst das ungute Gefühl nach einer Situation, in der du dich anders verhalten hast, als du es eigentlich aus deinem Inneren heraus gewollt hättest. Fang an, diese Situationen bewusst wahrzunehmen, auch wenn es erst im Nachhinein ist. Bemerke möglichst mitfühlend, dass du gegen deinen inneren Impuls gehandelt hast und versuche neugierig zu erforschen, welcher Gedanke oder welches Gefühl dich davon abgehalten hat. Je häufiger du dir dieser Momente bewusst machst, desto eher wirst du sie in Zukunft bemerken.

Entscheide neu
Hast du dich eine nicht-authentischen Situation erkannt, mach dir bewusst, dass die bremsenden Gedanken und Gefühlen von einem inneren Anteil in dir kommen, der in der Vergangenheit in jedem Fall einen guten Grund hatte, so zu denken, fühlen und handeln. Dann sage diesem inneren Anteil auf verständnisvolle, aber bestimmte Art, dass du ihn siehst, doch als erwachsener Mensch jetzt deine eigene Entscheidung triffst und beabsichtigst, bei nächster Gelegenheit anders zu handeln.

Lerne deine inneren Anteile kennen
Die vorherige Übung kannst du machen, ohne genau zu wissen, welcher innere Anteil hinter der entsprechenden Situation steckt. Doch es lohnt sich sehr, diesen und deine anderen Anteile genauer zu erforschen und kennenzulernen. Dabei wirst du feststellen, dass sie alle zu deinem Wohle handeln, auch wenn es sich für dich häufig nicht so anfühlt. Alle diese inneren Anteile entstanden als Reaktion auf deine vergangenen Erfahrungen, um dich bzw. die Bindung zu deinen Bezugspersonen zu schützen. Zur Arbeit mit inneren Anteilen gibt es bereits ein paar Episoden im Neuanfang Podcast und Buchempfehlungen hier auf der Website.

Lerne dich besser kennen
Ob durch die Arbeit mit inneren Anteilen, durch Human Design, Journaling oder welches Tool auch immerlerne deine Innenwelt mit allen Wundern und auch dunklen Ecken besser kennen. Übe, im Alleinsein in dich hineinzuhören. Versteh durch den Mechanismus der Projektion, wie du dich in der Bewertung anderer Menschen selbst erkennen kannst. Jede kleine Erkenntnis über deine Stärken, Werte und Wünsche, sowie deine verletzenden Erfahrungen, inneren Anteile und Antreiber, Unsicherheiten, Ängste und Zweifel, ist ein Puzzleteil auf dem Weg zur Ganzheit. Je mehr du dich in Richtung deiner Ganzheit bewegst, desto mehr wirst du dich in dir selbst zuhause fühlen und desto leichter wird dir Authentizität fallen.

Stärke dein Vertrauen in dich selbst
Vertrauen in andere Menschen entsteht zuerst durch den Glauben und dann die wiederholte Erfahrung, dass du dich auf sie verlassen kannst. Genauso ist es mit dir selbst. Beweise dir immer und immer wieder, dass du dir selbst vertrauen kannst. Wenn du dir etwas vornimmst, mach es. Wenn du dir selbst etwas versprichst, halte es ein. Probiere in kleinen Schritten neue Dinge aus und zeige dir, dass du damit klarkommst. So wächst mit jeder kleinen Tat das Vertrauen, dass du für dich selbst da bist. Das hilft dir in Beziehung mit anderen Menschen auch mal zu riskieren, dass die Bindung auf die Probe gestellt werden kann. Denn du kannst ja darauf vertrauen, dass du dich um dich selbst kümmern wirst – ob mit oder ohne diesen Menschen in deinem Leben.

Fazit zu Bindung versus Authentizität

Damit sind wirst am Ende unserer Forschungsreise angekommen. Allein die Erkenntnis, dass es den Konflikt zwischen Bindung und Authentizität gibt und du ihn vielleicht erlebst, kann helfen, mehr Bewusstsein und Mitgefühl für dich selbst zu entwickeln. Wann immer du merkst, dass du dir dabei im Weg stehst, du selbst zu sein, nimm liebevoll Kontakt mit dem Teil in dir auf, der Angst um seine Bindungen hat. Vertraue darauf, dass er einen guten Grund für sein Denken, Fühlen und Handeln hat(te). Und mach dir bewusst, dass deine erwachsene Version die Macht hat, neu zu entscheiden.

Ich möchte dich noch mit ein paar letzten Worten von Gabor Maté ermutigen, nicht deine vergangenen Erfahrungen deine weitere Geschichte schreiben zu lassen, sondern selbst zur Autorin bzw. zum Autor deines Lebens zu werden.

Die elementare Wurzel von »Authentizität« ist das griechische autos oder »Selbst«, das in enger Beziehung zu Begriffen wie »Autor« und »Autorität« steht. … Das einzige Gebot der Authentizität besteht darin, dass wir – und nicht die von außen auferlegten Erwartungen – der wahre Autor und die Autorität unseres eigenen Lebens sind.

Du wünschst dir Begleitung in die Authentizität?

Wenn du gerade an dem Punkt stehst, dass du fest entschlossen bist, dein Selbst authentischer auszuleben und dir dabei bisher aber noch im Weg gestanden hast, ist es an der Zeit, dass wir beide uns kennenlernen!

Gerne lass uns gemeinsam schauen, ob und wie ich dich auf deinem individuellen Weg in ein authentischeres Leben begleiten kann. In einem kostenfreien und unverbindlichen Connection-Call lernen wir uns kennen und finden heraus, was dein nächster Schritt (mit mir an deiner Seite) sein kann.

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